Discussion:
[Fallbeispiel] Erbrechen
(zu alt für eine Antwort)
Marc A. Hanefeld
2008-03-04 18:25:49 UTC
Permalink
Hallo, liebe NG'ler!

Hier mal wieder ein netter Fall, aus dem man vielleicht einiges lernen kann.

Einsatzmeldung "Erbrechen, Pat. zusammengebrochen". Es rücken aus ein RTW
und das NEF.

Beim Eintreffen wird eine Patientin, zwischen 35 und 40 Jahre alt,
angetroffen. Im gesamten Raum ist Erbrochenes verteilt. Die Patientin ist
bewußtseinsklar, läßt sich aber angesichts fortbestehender Übelkeit nicht
zu ausführlichen Aussagen motivieren. Der Mann berichtet, seit 2-3 Tagen
sei der Patientin schlecht, sie habe Kopfschmerzen und Schwindel.

Auf Rückfrage werden die Kopfschmerzen von der Patientin selbst als
links-frontal angegeben. Vor Monaten sei es zu einem Sturz vom Pferd
gekommen. Dabei wurde ein Helm getragen, ein Arztbesuch wurde von der Pat.
verweigert. In der Folge sei es häufiger zu Kopfschmerzen gekommen, die
aber zwischendurch sistiert haben. Jetzt seien sie wieder da. Bei dem
Reitunfall sei es außerdem zu einer stumpfen Bauchverletzung gekommen.
Wegen der Zustands-Verschlechterung habe die Patientin jetzt einen
niedergelassenen Mediziner aufgesucht. Dieser habe die Vermutung
eines "gedeckten Magen-Risses" aufgestellt und die Patientin zu einer
erneuten Untersuchung einbestellt. Gegen die Kopfschmerzen habe die
Patientin keine Medikamente, besonders kein ASS, eingenommen. Keine
Bauchschmerzen in letzter Zeit, Stuhlgang normal, kein Blut in Stuhl oder
Urin.

Untersuchung: Patientin verwirrt, wirkt abwesend. Schwindel und Übelkeit. RR
210/120, HF 110/Min., SaO2 98%, EKG mit regelrechtem Stromkurvenverlauf.
Pupillen beidseits mittelweit und isokor (=> Untersuchung ist zwar bei
nicht bewußtlosen Personen überflüssig, aber der Vollständigkeit halber sei
es erwähnt). Bei Verbringen der Patientin in den RTW wird diese noch einmal
nach dem Unfallereignis gefragt. Dabei wird angegeben, der Unfall habe sich
vor 2 Wochen ereignet. Später im Krankenhaus gibt die Patientin an, das
Ereignis liege doch zwei Monate zurück.

Es wird entschieden, die Patientin in ein Krankenhaus der Maximalversorgung
zu bringen. Sie erhält einen i.v.-Zugang und insgesamt 100 mg Vergentan
(Alizaprid) wegen fortbestehender Übelkeit. Auf der Fahrt erleidet die
Patientin einen fokalen, beinbetonten Krampfanfall linksseitig, bleibt aber
bei Bewußtsein. Wegen der enormen psychischen Belastung und fehlender
Selbst-Limitierung wird ein Bolus von 10 mg Diazepam i.v. verabreicht. Das
Krampfen sistiert, die Patientin schläft ruhig und atmet suffizient.

Fragen:
=======

Welche Verdachtsdiagnose(n) muß man aufwerfen?
Welche Fachabteilung sollte zunächst angesteuert werden?
Welche Symptome stützen die Verdachtsdiagnose?
Welche Symptome passen *nicht* ins Bild?
Was ist die endgültige Diagnose?

Viel Spaß beim Reindenken, ich melde mich dann wieder.

Viele Grüße,

Marc
Erich Kirchmayer
2008-03-05 06:52:46 UTC
Permalink
Hi,
Post by Marc A. Hanefeld
Untersuchung: Patientin verwirrt, wirkt abwesend. Schwindel und
Übelkeit. RR 210/120, HF 110/Min., SaO2 98%, EKG mit regelrechtem
Stromkurvenverlauf. Pupillen beidseits mittelweit und isokor
BZ?
Post by Marc A. Hanefeld
Welche Verdachtsdiagnose(n) muß man aufwerfen?
Hirnblutung/Ödem
Post by Marc A. Hanefeld
Welche Fachabteilung sollte zunächst angesteuert werden?
Neurologie mit CT, am Besten über den Schockraum, wo auch gleich ein
Sono gemacht werden kann. Labor ist eh immer Standard.
Post by Marc A. Hanefeld
Welche Symptome stützen die Verdachtsdiagnose?
Hoher RR, Übelkeit, Krampf
Post by Marc A. Hanefeld
Welche Symptome passen *nicht* ins Bild?
Die lange Phase seit dem Unfall (2 Monate)
Post by Marc A. Hanefeld
Was ist die endgültige Diagnose?
Schwer zu sagen ohne CT und Labor. Möglicherweise haben die Übelkeit und
die Kopfschmerzen eine andere Ursache (Migräne?), durch das massive
Erbrechen Elektrolytverschiebungen resultierend Somnolenz/Verwirrtheit.
BZ wurde nicht genannt, evtl. zu niedriger BZ (Folge von Erbrechen?)
Schuld an Verwirrtheit/Krampfanfall?

Möglich auch eine "Magen-Darm-Sache", die hier mitspielt und für die
Übelkeit verantwortlich ist. Ob "internistisch" oder traumatisch
bedingt, sei mal dahingestellt (Wurde das Abdomen untersucht?)

Man kann "Läuse und Flöhe haben" und irgendwie sieht mir das Ganze nach
einer Kombination von zwei ggf. voneinander unabhängigen
Krankheitsbildern aus.

Gruß

Erich
--
Lebe heute und freue dich auf morgen.
Marc A. Hanefeld
2008-03-05 07:48:55 UTC
Permalink
Post by Erich Kirchmayer
Post by Marc A. Hanefeld
Untersuchung: Patientin verwirrt, wirkt abwesend. Schwindel und
Übelkeit. RR 210/120, HF 110/Min., SaO2 98%, EKG mit regelrechtem
Stromkurvenverlauf. Pupillen beidseits mittelweit und isokor
BZ?
BZ ist 102.
Post by Erich Kirchmayer
Post by Marc A. Hanefeld
Welche Verdachtsdiagnose(n) muß man aufwerfen?
Hirnblutung/Ödem
Sie wurde letztlich mit der Verdachtsdiagnose "chronisch subdurales Hämatom"
(cSDH) behandelt.
Post by Erich Kirchmayer
Post by Marc A. Hanefeld
Welche Fachabteilung sollte zunächst angesteuert werden?
Neurologie mit CT,
Wir sind noch einen Schritt weiter gegangen und haben den /Neurochirurgen/
als ersten Ansprechpartner gewählt.
Post by Erich Kirchmayer
Post by Marc A. Hanefeld
Welche Symptome stützen die Verdachtsdiagnose?
Hoher RR, Übelkeit, Krampf
Jepp
Post by Erich Kirchmayer
Post by Marc A. Hanefeld
Welche Symptome passen *nicht* ins Bild?
Die lange Phase seit dem Unfall (2 Monate)
Das wäre für die ICB bzw. SAB der Fall. Mit einem cSDH ist ein solcher
Verlauf aber vereinbar.

Was nicht ins Bild paßt, sind links-frontale Kopfschmerzen mit
links-betonten neurologischen Ausfällen (fokaler Krampf). Dies habe ich
schulterzuckend zur Kenntnis genommen, meine Verdachtsdiagnose aber
konsequent beibehalten.
Post by Erich Kirchmayer
Post by Marc A. Hanefeld
Was ist die endgültige Diagnose?
Schwer zu sagen ohne CT und Labor. Möglicherweise haben die Übelkeit und
die Kopfschmerzen eine andere Ursache (Migräne?), durch das massive
Erbrechen Elektrolytverschiebungen resultierend Somnolenz/Verwirrtheit.
Migräne wird verneint. Erbrechen erst so richtig seit einigen Stunden. Dein
Einwand ist aber natürlich angebracht.
Post by Erich Kirchmayer
BZ wurde nicht genannt, evtl. zu niedriger BZ (Folge von Erbrechen?)
Schuld an Verwirrtheit/Krampfanfall?
Siehe oben, nein.
Post by Erich Kirchmayer
Möglich auch eine "Magen-Darm-Sache", die hier mitspielt und für die
Übelkeit verantwortlich ist. Ob "internistisch" oder traumatisch
bedingt, sei mal dahingestellt (Wurde das Abdomen untersucht?)
Das Abdomen wurde untersucht. Es wurde gesagt, daß posttraumatisch eine
Schwellung aufgetreten sei. Deshalb auch der Verdacht des Niedergelassenen
auf einen gedeckten Organ-Riss. Diese Verdachtsdiagnose ist zwar völlig
hanebüchen, aber zunächst mal muss man ja alles verfolgen, was einem
anamnestisch so angeboten wird, sobald man die Infos in eine logische Folge
gebracht hat (oft eine mehr als schwierige Aufgabe!).

Bei der Untersuchung des Abdomens ist dieses adipös, die Haut ist glatt und
ohne Querfalten, die Bauchdecke ist weich, eine Abwehrspannung findet sich
nicht. Meine erste Frage während der ersten Sekunden der Bauchuntersuchung
lautet: "Ist es möglich, daß Sie schwanger sind?". Dies wird -auch auf
mehrfache und mit Betonung der Wichtigkeit versehene Rückfragen- klar
verneint.
Post by Erich Kirchmayer
Man kann "Läuse und Flöhe haben" und irgendwie sieht mir das Ganze nach
einer Kombination von zwei ggf. voneinander unabhängigen
Krankheitsbildern aus.
Du liegst richtig, oder zumindest fast.

Bei der jungen Patientin fanden sich mehrere Hirninfarkte. Als auslösende
Ursache wurde recht schnell ein HELLP-Syndrom diagnostiziert. Der erste
klinische Blick auf den Bauch war also doch richtig, und durch die
Verdachtsdiagnose und das vehemente Abstreiten einer Schwangerschaft ist
dieser klinische Blick vernachlässigt worden - ein Fehler!

Gefunden wurde eine Schwangerschaft in der 32. Schwangerschaftswoche, die
von der Patientin unbemerkt geblieben war. Eine Notfall-Sectio mit
anschließender Intensivüberwachung führte recht schnell zu einer klinischen
Besserung der Patientin.

HELLP bedeutet: "_H_emolysis, _EL_evated _L_iver enzymes, low _P_latelet
count". Es wird vermutet, daß es sich bei dieser Erkrankung um eine
ähnliche Pathophysiologie wie bei der thrombotischen thrombozytopenischen
Purpura (Morbus Moschcowitz) bzw. dem hämolytisch-urämischen Syndrom
(Morbus Gasser) handelt:

Vermutlich kommt es aufgrund einer Erhöhung der Bereitschaft der
Thrombozyten zu einer Mikrothrombosierung in Organen (bei TTP das Gehirn,
bei HUS die Nieren, bei HELLP die Leber). An den Mikrothrombosierungen
kommt es zu einer Zerstörung von Erythrozyten mit intravasaler Hämolyse.

Eine weitere pathophysiologische Erwägung ist das Entstehen einer
disseminierten intravasalen Gerinnung durch Einschwemmen von
gerinnungsfördernden Mediatoren aus der Plazenta bei gestörter
Blut-Plazenta-Schranke. Diese Komplikation ist eine typische, wenn auch
seltene, Geburtskomplikation.

Grundsätzlich liegt das Problem in einer -warum auch immer- gesteigerten
Gerinnungs-Bereitschaft. Das Gerinnungs-System wird unspezifisch (und eben
nicht an Verletzungs-Stellen) aktiviert. Dadurch kommt es zu einem lokalen
Verbrauch von Gerinnungs-Material (Thrombozyten, Faktoren der plasmatischen
Gerinnung), das dann an wichtigen Stellen nicht zur Verfügung steht.

Was ist aus dem Fall zu lernen?

1) Immer alles weiter verfolgen (klinischer Blick eines möglichen
Schwangerschafts-Bauches)

2) Häufig werden bestimmte Ereignisse als Auslöser für Beschwerden
identifiziert, die nichts mit dem Geschehen zu tun haben. Z.B. der
Herzinfarkt-Patient, der angibt, sich vor einigen Tagen mit dem Brustkorb
gestossen zu haben. In diesem Fall war zwar ein adäquates Trauma für ein
cSDH vorhanden, aber dieses wurde trotzdem nicht gefunden.

3) Für den RD ist es nicht primär wichtig, die korrekte Diagnose zu stellen.
Man muß den Gefärdungsgrad des Patienten richtig einschätzen und
dementsprechend handeln. In diesem Fall wurde dieser Forderung genüge
getan, indem ein Haus der Maximalversorgung gewählt wurde und dadurch auch
die potentiell lebensbedrohliche intrakranielle Blutung abgedeckt gewesen
wäre.

Viele Grüße zunächst,

Marc
Erich Kirchmayer
2008-03-08 12:45:33 UTC
Permalink
Hi,
Post by Marc A. Hanefeld
Post by Erich Kirchmayer
Post by Marc A. Hanefeld
Welche Verdachtsdiagnose(n) muß man aufwerfen?
Hirnblutung/Ödem
Sie wurde letztlich mit der Verdachtsdiagnose "chronisch subdurales
Hämatom" (cSDH) behandelt.
Also vereinfacht "was im Hirn", das schnellstmöglich ein CT braucht und
eine entspr. ausgerüstete Klinik mit Intern-Intensiv, Neurologie und
ggf. (oder zeitnah) Neurochirurgie.
Post by Marc A. Hanefeld
Post by Erich Kirchmayer
Post by Marc A. Hanefeld
Welche Fachabteilung sollte zunächst angesteuert werden?
Neurologie mit CT,
Wir sind noch einen Schritt weiter gegangen und haben den
/Neurochirurgen/ als ersten Ansprechpartner gewählt.
Hier in M-Stadt würde ich den Schockraum bestimmter KH wählen, die
Neurochirurgie käme bei mir erst an zweiter Stelle, da "bis der OP
steht" der Patient hier sehr schnell in ein entsp. KH verlegt werden
kann. Wenn´s NCH gleich gibt, auch gut.

In Bereichen, wo grössere Entfernungen zu überbrücken sind, macht die
primäre Auswahl eines KH mit NCH natürlich mehr Sinn bzw. hat eine
höhere Priorität.
Post by Marc A. Hanefeld
Was nicht ins Bild paßt, sind links-frontale Kopfschmerzen mit
links-betonten neurologischen Ausfällen (fokaler Krampf). Dies habe
ich schulterzuckend zur Kenntnis genommen, meine Verdachtsdiagnose
aber konsequent beibehalten.
Bleibt ja eh nicht viel Anderes übrig.
Post by Marc A. Hanefeld
Post by Erich Kirchmayer
Post by Marc A. Hanefeld
Was ist die endgültige Diagnose?
Schwer zu sagen ohne CT und Labor. Möglicherweise haben die
Übelkeit und die Kopfschmerzen eine andere Ursache (Migräne?),
Migräne wird verneint.
Es gibt immer ein Erstes Mal ;-)
Post by Marc A. Hanefeld
Post by Erich Kirchmayer
BZ wurde nicht genannt, evtl. zu niedriger BZ (Folge von
Erbrechen?) Schuld an Verwirrtheit/Krampfanfall?
Siehe oben, nein.
Is ja gemein, den BZ-Wert zu verschweigen. Ist i.d.R. Standard bei allen
Untersuchungen, spätestens wenn ein Zugang gelegt wird.
Post by Marc A. Hanefeld
Post by Erich Kirchmayer
traumatisch bedingt, sei mal dahingestellt (Wurde das Abdomen
untersucht?)
Das Abdomen wurde untersucht. Es wurde gesagt, daß posttraumatisch
eine Schwellung aufgetreten sei. Deshalb auch der Verdacht des
Niedergelassenen auf einen gedeckten Organ-Riss. Diese
Verdachtsdiagnose ist zwar völlig hanebüchen, aber zunächst mal muss
man ja alles verfolgen, was einem anamnestisch so angeboten wird,
naja, der Niedergelassene hat wohl kein Sono gemacht bzw. an einen
entspr. Spezialisten überwiesen. IMHO grober Fehler bei dieser Anamnese
(Sturz vom Pferd).
Post by Marc A. Hanefeld
diagnostiziert. Der erste klinische Blick auf den Bauch war also
doch richtig, und durch die Verdachtsdiagnose und das vehemente
Abstreiten einer Schwangerschaft ist dieser klinische Blick
vernachlässigt worden - ein Fehler!
Was willst auch sonst machen? Ein Sono hat man i.d.R. nicht im RTW/NEF
Post by Marc A. Hanefeld
Gefunden wurde eine Schwangerschaft in der 32.
Schwangerschaftswoche, die von der Patientin unbemerkt geblieben
war.
Was ich nie verstehen werde ist, wie eine Frau im 8. Monat(!) schwanger
sein kann und keine Ahnung davon hat! Ich kenne viele Frauen in meinem
Bekanntenkreis, die wussten schon nach wenigen Tagen oder Wochen, dass
sie schwanger waren, gesehen ha´ man´s dann ab 7-8. Monat dann auch ganz
deutlich...

Oder war die Patientin so fett, dass man den "Kugelbauch" nicht sehen
konnte?
Post by Marc A. Hanefeld
Was ist aus dem Fall zu lernen?
1) Immer alles weiter verfolgen (klinischer Blick eines möglichen
Schwangerschafts-Bauches)
Sofern man ihn sieht ;-) Es gibt da schon - äh - "Körperformen", da
würden auch Drillinge ned auffallen ;-)
Post by Marc A. Hanefeld
2) Häufig werden bestimmte Ereignisse als Auslöser für Beschwerden
identifiziert, die nichts mit dem Geschehen zu tun haben. Z.B. der
Herzinfarkt-Patient, der angibt, sich vor einigen Tagen mit dem
Brustkorb gestossen zu haben. In diesem Fall war zwar ein adäquates
Trauma für ein cSDH vorhanden, aber dieses wurde trotzdem nicht
gefunden.
Ja, das kann tückisch sein. Aber damit müssen wir draussen eben leben,
denn uns stehen nur einfache Geräte (EKG, SpO2, RR, BZ) div. Schemata,
Theoriewissen und "Bauch" zur Verfügung und nicht die grosse Palette der
Diagnosemöglichkeiten in einem "grosen" KH wie Labor, CT, NMR, Sono,
Röntgen etc.

Aber wer weis, vielleicht kommt das ja alles noch. BGA und Sono gibt es
bereits "mobil", in ferner Zukunft könnte da auch noch mehr kommen. Und
vielleicht gibt´s dann nicht nur die Geräte, sondern auch das Geld dazu
und das entspr. ausgebildete Personal.
Post by Marc A. Hanefeld
3) Für den RD ist es nicht primär wichtig, die korrekte Diagnose zu
stellen. Man muß den Gefärdungsgrad des Patienten richtig
einschätzen und dementsprechend handeln.
Und - das sehe ich auch für wichtig - bei dieser Diagnose auch
konsequent zu bleiben. Insbes. eine Abschwächung der Erstdiagnose
("vielleicht ist es ja doch nur....") halte ich für nicht sinnvoll.
Post by Marc A. Hanefeld
In diesem Fall wurde dieser
Forderung genüge getan, indem ein Haus der Maximalversorgung gewählt
wurde und dadurch auch die potentiell lebensbedrohliche
intrakranielle Blutung abgedeckt gewesen wäre.
Richtig - ist im RD oft sowieso die einzige Möglichkeit, da (s.o.)
schlichtweg die technischen Möglichkeiten fehlen, etwas Anderes zu
entscheiden.

Gruß

Erich
--
Lebe heute und freue dich auf morgen.
Marc A. Hanefeld
2008-03-09 09:58:59 UTC
Permalink
Moin,

Erich Kirchmayer wrote:

[V.a. cSDH]
Post by Erich Kirchmayer
Post by Marc A. Hanefeld
Wir sind noch einen Schritt weiter gegangen und haben den
/Neurochirurgen/ als ersten Ansprechpartner gewählt.
In Bereichen, wo grössere Entfernungen zu überbrücken sind, macht die
primäre Auswahl eines KH mit NCH natürlich mehr Sinn bzw. hat eine
höhere Priorität.
Hier in Bremerhaven haben wir nur eine Klinik der Maximalversorgung, und da
sind Neurologie und Neurochirurgie in einem Haus vereint. Auch als Stadt-NA
hätte ich nur dieses Haus angefahren. Mein Einsatz war aber im Landkreis,
und muß ich Dir beipflichten. Als RettAss kannte ich ja nur Stadtrettung,
aber als NA habe ich mittlerweile auch ganz gut Landrettung kennen gelernt
und muß sagen, daß der Unterschied deutlich, wenn auch (zum Glück meistens)
nicht dramatisch ist - außer eben, wenn es sich um _wirklich_ zeitkritische
Sachen handelt.
Post by Erich Kirchmayer
Post by Marc A. Hanefeld
Migräne wird verneint.
Es gibt immer ein Erstes Mal ;-)
Naja.... :-)
Post by Erich Kirchmayer
Is ja gemein, den BZ-Wert zu verschweigen.
Ähem. Hatte ich vergessen. Ich hoffe, daß mir _so_ ein dummer Fehler nie
passiert. Leider habe ich auch schon einmal einen Patienten mit ICB als
Notaufnahme-Doc wieder ziemlich schnell wachbekommen, nachdem wir den BZ
gemessen hatten. Für den NA ein Offenbarungseid...
Post by Erich Kirchmayer
naja, der Niedergelassene hat wohl kein Sono gemacht bzw. an einen
entspr. Spezialisten überwiesen. IMHO grober Fehler bei dieser Anamnese
(Sturz vom Pferd).
"Grober Fehler" ist noch eine Untertreibung.
Post by Erich Kirchmayer
Post by Marc A. Hanefeld
diagnostiziert. Der erste klinische Blick auf den Bauch war also
doch richtig, und durch die Verdachtsdiagnose und das vehemente
Abstreiten einer Schwangerschaft ist dieser klinische Blick
vernachlässigt worden - ein Fehler!
Was willst auch sonst machen? Ein Sono hat man i.d.R. nicht im RTW/NEF
Ich habe nicht ohne Grund nach einer Schwangerschaft gefragt. Der klinische
Blick auf den Bauch hat das einfach provoziert. Ein Schwangerschaftsbauch,
auch wenn durch (in diesem Fall mäßige) Adipositas überdeckt, sieht doch
immer etwas anders aus als ein Adipositas-Bauch. Sei's drum, ich habe die
Idee ja fallen lassen, muß zu meiner Ehrenrettung aber sagen, daß auch die
Kollegen in der Klink erst beim Routine-Sono darauf gekommen sind. Auch den
Notaufnahme-Schwestern ist beim Entkleiden der Patientin nichts
aufgefallen.
Post by Erich Kirchmayer
Post by Marc A. Hanefeld
Gefunden wurde eine Schwangerschaft in der 32.
Schwangerschaftswoche, die von der Patientin unbemerkt geblieben
war.
Was ich nie verstehen werde ist, wie eine Frau im 8. Monat(!) schwanger
sein kann und keine Ahnung davon hat!
Ich vermute, daß da immer eine Psychose im Hintergrund ist. Zum Wohle des
Kindes muß man dies jedenfalls verfolgen.
Post by Erich Kirchmayer
Oder war die Patientin so fett, dass man den "Kugelbauch" nicht sehen
konnte?
*grins* Habe ich auch schon gesehen. Eine meiner letzten Sectio-Narkosen war
eine Patientin mit 160 kg bei 1,59 m Körpergröße. Bei meinem NA-Einsatz
würde ich aber der Patientin unrecht tun. Das war noch im oberen Bereich
des modernen europäischen Standards.
Post by Erich Kirchmayer
Post by Marc A. Hanefeld
3) Für den RD ist es nicht primär wichtig, die korrekte Diagnose zu
stellen. Man muß den Gefärdungsgrad des Patienten richtig
einschätzen und dementsprechend handeln.
Und - das sehe ich auch für wichtig - bei dieser Diagnose auch
konsequent zu bleiben. Insbes. eine Abschwächung der Erstdiagnose
("vielleicht ist es ja doch nur....") halte ich für nicht sinnvoll.
Rumeiern hat noch keinem genützt. Für Abschwächungen ist in der Klinik Zeit,
wenn auch Befunde erhoben wurden.

Viele Grüße,

Marc
Erich Kirchmayer
2008-03-09 12:03:06 UTC
Permalink
Hi,
Post by Marc A. Hanefeld
Post by Erich Kirchmayer
Is ja gemein, den BZ-Wert zu verschweigen.
Ähem. Hatte ich vergessen. Ich hoffe, daß mir _so_ ein dummer Fehler
nie passiert. Leider habe ich auch schon einmal einen Patienten mit
ICB als Notaufnahme-Doc wieder ziemlich schnell wachbekommen,
nachdem wir den BZ gemessen hatten. Für den NA ein Offenbarungseid...
Ja, diesen Fehler macht man eigentlich nur einmal. Aber ich habe auch
schon SHT mit Glasauge erlebt, auch nicht viel besser für RD-Personal
bzw. NA ;-)
Post by Marc A. Hanefeld
Post by Erich Kirchmayer
naja, der Niedergelassene hat wohl kein Sono gemacht bzw. an einen
entspr. Spezialisten überwiesen. IMHO grober Fehler bei dieser
Anamnese (Sturz vom Pferd).
"Grober Fehler" ist noch eine Untertreibung.
Hast du es ihm gesagt? Oft baut jemand Mist, aber niemand sagt´s ihm,
dass er Mist gebaut hat.... (Gilt auch für nicht-ärztliches RD-Personal.
Ich bin immer froh, wenn ich/wir vom NA oder KH-Arzt auf Fehler
hingewiesen werden. Auch aus Fehlern lernt man!)
Post by Marc A. Hanefeld
Post by Erich Kirchmayer
Und - das sehe ich auch für wichtig - bei dieser Diagnose auch
konsequent zu bleiben. Insbes. eine Abschwächung der Erstdiagnose
("vielleicht ist es ja doch nur....") halte ich für nicht sinnvoll.
Rumeiern hat noch keinem genützt. Für Abschwächungen ist in der
Klinik Zeit, wenn auch Befunde erhoben wurden.
Eben. Aber gerade das "Rumeinern" kenne ich von manchen Leuten (RA und
NA), die noch "neu" in ihrem Job sind. Da geht Einem halt viel durch den
Kopf - Fallbeispiele, das komplette Med.-Studium rauf&runter,
Erzählungen von Kollegen und damit auch die eigene Unsicherheit.

Gruß

Erich
--
Lebe heute und freue dich auf morgen.
Bernd Waterkamp
2008-03-09 19:15:38 UTC
Permalink
Nabend.
Aber ich habe auch schon SHT mit Glasauge erlebt, auch nicht viel besser
für RD-Personal bzw. NA ;-)
Wie war das jetzt gemeint - Patient mit SHT, das durch ein Glasauge nicht
entdeckt wurde, oder Diagnose SHT wegen des falsch gedeuteten Glasauges?

In Nellinghof (größere RD-Schule) gibt es AFAIK einen RD-Dozenten mit
Glasauge. Wer den nicht kennt, merkt dann wohl beim Fallbeispiel ob er den
Pupillencheck auch richtig macht oder nur der Form halber leuchtet. Manchen
erzählt man es wohl erst hinterher... Der Lerneffekt dürfte aber auch dann
vorhanden sein. ;-)

Gruß
Bernd
Alexander der Grosse
2008-03-06 23:32:29 UTC
Permalink
Post by Marc A. Hanefeld
Hallo, liebe NG'ler!
Hier mal wieder ein netter Fall, aus dem man vielleicht einiges lernen kann.
Einsatzmeldung "Erbrechen, Pat. zusammengebrochen". Es rücken aus ein RTW
und das NEF.
Beim Eintreffen wird eine Patientin, zwischen 35 und 40 Jahre alt,
angetroffen. Im gesamten Raum ist Erbrochenes verteilt. Die Patientin ist
bewußtseinsklar, läßt sich aber angesichts fortbestehender Übelkeit nicht
Untersuchung: Patientin verwirrt, wirkt abwesend. Schwindel und Übelkeit. RR
Bewusstseinsklar und verwirrt, widerspricht sich das nicht?
Post by Marc A. Hanefeld
bei Bewußtsein. Wegen der enormen psychischen Belastung und fehlender
Selbst-Limitierung wird ein Bolus von 10 mg Diazepam i.v. verabreicht. Das
Wollte sie das bzw erklärte man ihr, was sie da bekommt oder geschah
es einfach so?
Bernhard Nowotny
2008-03-09 20:49:01 UTC
Permalink
Post by Marc A. Hanefeld
Untersuchung: Patientin verwirrt, wirkt abwesend. Schwindel und Übelkeit. RR
210/120, HF 110/Min., SaO2 98%, EKG mit regelrechtem Stromkurvenverlauf.
Pupillen beidseits mittelweit und isokor (=> Untersuchung ist zwar bei
nicht bewußtlosen Personen überflüssig,
^^^^^^^^^^^
Warum?

Servus,


Bernhard
Marc A. Hanefeld
2008-03-10 10:13:46 UTC
Permalink
Post by Bernhard Nowotny
Post by Marc A. Hanefeld
Untersuchung: Patientin verwirrt, wirkt abwesend. Schwindel und
Übelkeit. RR 210/120, HF 110/Min., SaO2 98%, EKG mit regelrechtem
Stromkurvenverlauf. Pupillen beidseits mittelweit und isokor (=>
Untersuchung ist zwar bei nicht bewußtlosen Personen überflüssig,
^^^^^^^^^^^
Warum?
Eine Pupillendifferenz bei SHT/Blutung/Hirnödem/Hirndruck weist auf eine
Einklemmung des Mittelhirns hin. Diese führt auch zur Bewußtlosigkeit.
Da Pupillendifferenzen auf unter anderen Umständen vorkommen (z.B.
Müdigkeit), ist die diagnostische Aussagekraft beim nicht bewußtlosen
Patienten minimal bis nicht vorhanden.

Viele Grüße,

Marc
Erich Kirchmayer
2008-03-11 20:39:01 UTC
Permalink
Hi,
Post by Marc A. Hanefeld
Post by Bernhard Nowotny
Post by Marc A. Hanefeld
Stromkurvenverlauf. Pupillen beidseits mittelweit und isokor (=>
Untersuchung ist zwar bei nicht bewußtlosen Personen überflüssig,
^^^^^^^^^^^
Warum?
Eine Pupillendifferenz bei SHT/Blutung/Hirnödem/Hirndruck weist auf
eine Einklemmung des Mittelhirns hin. Diese führt auch zur
Bewußtlosigkeit.
_auch_ ja. Aber ich hatte in meinen vielen RD-Jahren schon einige
Patienten, die völlig munter mit mir redeten (also definitiv nicht
bewusstlos waren) aber eine "Fetzen-Pupillendifferenz" hatten. o.k.
"Glasauge" war auch dabei, aber eben auch in der Klinik gesicherte
Blutungen, Apoplex etc.

Der krasseste Fall war ein Kollege, der nach einem privaten VU am
nächsten Tag ein bsichen "dizzy", aber sonst putzmunter zum Dienst kam -
aber mit einer "Differenz vom anderen Stern" und entsprechend von
"seinem" RTW ("sein" Fahrer + RA der abgelösten Schicht) auch sofort in
die nahegelegene Klinik gefahren wurde. War ´n SHT mit Schwellung/Ödem,
verschwand zum Glück nach kurzem KH-Aufenthalt wieder.

Was die Untesuchung der Pupillen ansich angeht - deren Stellung verrät
auch div. Intoxikationen beim sonst (weitgehend) klaren, ansprechbaren
Patienten.

...und die Frage nach dem Glasauge nicht vergessen ;-)

Gruß

Erich
--
Lebe heute und freue dich auf morgen.
Bernhard Nowotny
2008-03-15 13:24:00 UTC
Permalink
Post by Erich Kirchmayer
Post by Marc A. Hanefeld
Post by Bernhard Nowotny
Post by Marc A. Hanefeld
Stromkurvenverlauf. Pupillen beidseits mittelweit und isokor (=>
Untersuchung ist zwar bei nicht bewußtlosen Personen überflüssig,
^^^^^^^^^^^
Warum?
Eine Pupillendifferenz bei SHT/Blutung/Hirnödem/Hirndruck weist auf
eine Einklemmung des Mittelhirns hin. Diese führt auch zur
Bewußtlosigkeit.
_auch_ ja. Aber ich hatte in meinen vielen RD-Jahren schon einige
Patienten, die völlig munter mit mir redeten (also definitiv nicht
bewusstlos waren) aber eine "Fetzen-Pupillendifferenz" hatten. o.k.
"Glasauge" war auch dabei, aber eben auch in der Klinik gesicherte
Blutungen, Apoplex etc.
ACK. Pupillendifferenz mit diagnostischer Aussagekraft gibt's durchaus
beim sonst wachen Patienten, deshalb meine verwunderte Frage. BTST.

@Marc: Wo stammt dieses Statement her?

Zudem kommt noch, dass man durchaus den Erstbefund der Pupillen mit
dem weiteren Verlauf vergleichen können sollte.

Servus,


Bernhard

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